Leopoldine - Die ehemalige Dorfälteste

Leopoldine Staudacher ist nicht nur die Älteste im Dorf, sondern sie ist inzwischen auch schon die Älteste im Lesachtal.

 

Geboren wurde sie am 14.07.1905 als 9. Kind von Franz und Karoline Unterluggauer vlg. Schneider in St. Lorenzen.

Sie hätte uns wohl hunderte Geschichten zu erzählen, aber nur wenige davon wollen wir hier im Rahmen ihres Lebenslaufes wiedergeben.

Als Kind wurde sie von ihren Eltern ins Tuffbad geschickt, denn ihr gesundheitlicher Zustand war nicht der Beste. Leopoldine erzählte, wie sie damals vor Schwäche umgefallen sei. Man baute eine Trage und transportierte sie so vom Tuffbad wieder nach Hause. Weil es damals keinen Arzt gab und die Eltern auch kein Geld hatten, wurde sie in der Familie gesund gepflegt.

Doch so ein Schwächeanfall konnte die Poldi nicht erschüttern, denn sie erzählt weiter, wie sie als junges Mädchen ihre Nichte Elsa aus Tröpolach in einem Kinderwagen über die damalige Schotterstraße von Gentschach nach St. Lorenzen gezogen hat. Damals waren das vermutlich 25 km. Die einzige Belohnung ihrer Mutter dafür war eine Brennsuppe.

Ein "Ale in Schmolz gschlogn" (=Eierspeis) wäre ihr viel lieber gewesen.

Mit 15 Jahren kam sie als Dirn nach Maria Luggau. Sie erzählt, wie sie zwei Jahre lang auf ein "Bäurisches" (=bäuerliche Festtagstracht) sparte.

Im ersten Jahr verdiente sie um die 80 Kronen und im zweiten Jahr 120 Kronen. Die Vorfreude auf die Tracht war groß! Auf Anraten jedoch investierte sie ihr Erspartes in Kriegsanleihen, aber aufgrund der Geldentwertung ging dieser Traum nicht im Erfüllung.

Mit 22 Jahren heiratet sie dann Johann Staudacher vlg. Praxn. Sie kann sich noch gut erinnern, wie der damals übliche Heiratsvertrag abgeschlossen wurde. Dieser wurde vom "Götl" (=Taufpate) beim "Werben" ausgehandelt. Ihr Götl wollte damals ein "Masl zum Hor san" (ein kleines Stück Feld zum Säen von Leinsamen). Leider war er nicht so erfolgreich. Im Heiratsvertrag ist dann letztendlich nur das Übliche niedergeschrieben worden, dass sie im Alter das Recht auf Kost und Pflege habe, sowie auf ein bestimmtes Maß an Gselchtem, Butter, Milch usw.

Leopoldine kann sich noch gut erinnern, wie sie damals zu Praxn gezogen ist. Sie vergisst nicht, was Praxn Mutto zu jemanden sagte: "Mir bikemmin lei a Ziggolan – Gitsche!"

Damit meinte sie, dass Poldis Eltern einen Greißler Laden hatten.

Sie gebahr fünf Töchter und zwei Söhne und bewältigte gemeinsam mit ihrem Mann Hunger- und Kriegsjahre.

18 Enkel und 21 Urenkel erfreuen sie. Derzeit ist der erste Ur-Urenkel unterwegs und wird an ihrem 98. Geburtstag schon auf der Welt sein. Somit gibt es bei Praxn dann fünf Generationen.

Eine Hauterkrankung aus dem Jahre 1963 und eine Operation am Ohr plagen sie heute noch, jedoch ihr selbst angesetztes Kamillen-Öl, mit dem sie sich jeden Tag "schmiert", hat ihr geholfen, davon ist sie fest überzeugt, so alt zu werden.

Leopoldine Staudacher hat bis in Ihr 95. Lebensjahr gehäkelt und das ohne "Augengläser". Sie spielt leidenschaftlich gerne Karten und beim "Kritisch Watten" kommt es nicht selten vor, dass sie ihre Kinder besiegt.

Trotz ihres hohen Alters ist sie ein sehr offener und verständnisvoller Mensch, besonders ihren Enkeln gegenüber, und das, obwohl sie weder von Fernsehen noch von Radio beeinflusst wird.

Sie verbringt ihren Tag damit, für ihre Kinder und deren Familien zu beten, am Balkon spazieren zu gehen, mit Vorübergehenden zu plaudern und für jeden Besuch dankbar zu sein.

Wir wünschen Praxn Mutto noch viel Gesundheit und würden uns freuen, zu ihrem 100. Geburtstag wieder über sie berichten zu können.

Praxn Mutto ist leider am 10. Oktober 2005 verstorben.
Sie möge in Frieden ruhen.